Dienstag, 24. Januar 2017

Ein journalistisches Porträt von mir

Ein journalistisches Porträt von mir

...ich finde derlei immer recht interessant und auch informativ.
So einen "Blick von Außen".

Einige Punkte sind vom Sachverhalt her etwas "gerafft" (da der Platz beschränkt war) -aber immer sinnwahrend. 

Vielen Dank für das zur Verfügung stellen an Regina Rosemann!







Hier nochmals als Fließtext:

Der glückliche Sisyphos 

Burkhard Tomm-Bub (59) wirkt zunächst unscheinbar und verhärmt. 
Seine langen, grauen Haare verdecken eine Narbe, die entlang von Wange und Hals verläuft - Spuren einer Krebsoperation. Sie ist auch der Grund, weswegen er sich schwer artikulieren kann. Schnell merkt man jedoch, dass dem kleinen Mann ein Schalk im Nacken sitzt. Offenherzig und ironisch erzählt er seine Geschichte, macht dazu Notizen und steht bisweilen sogar auf, um eine Situation nachzustellen. Er genießt es sichtlich, sich selbst in Szene zu setzten, wie bei seinen Aktionen auf Kundgebungen oder Demonstrationen. Zu diesem Zweck entwirft er T-Shirts mit plakativen Slogans wie „Das letzte Hemd“ oder „-30% -60% -100% -...!“ 
- Anspielungen auf Sanktionen, die Hartz IV-Empfängern verhängt werden können. 

Tomm-Bub betitelt sich selbst als Ex-Fallmanager. Sein Lebenslauf ist ihm wichtig. Im Internet hat er ihn veröffentlicht, ebenso wie seine Krankenakte. Eine Demonstration, dass er nichts zu verbergen hat, 
mit der er sich aber auch angreifbar macht – Narzissmus oder eine Mitleidstour werfen ihm seine Kritiker gerne vor. Doch letztendlich zeigt die Dokumentation der letzten zwölf Jahre, dass nicht er derjenige ist, dem man etwas vorwerfen sollte, sondern der Bundesagentur für Arbeit. 

Als diplomierter Sozialarbeiter und Erziehungswissenschaftler war Tomm-Bub im Ressort „Hilfe zur Arbeit“ des Sozialamts tätig. Zum 1.1.2005 änderte sich das System der Grundsicherungsleistung in Deutschland und aus Arbeitslosenhilfe wurde Arbeitslosengeld II (Hartz IV), aus Arbeitsämtern Jobcenter, und aus den dort angestellten Sozialfachkräften Fallmanager. „Anfangs sah ich die ganze Sache gar nicht so negativ“ erinnert sich Burkhard Tomm-Bub, „wir hatten mehr Möglichkeiten, den Menschen Förderungen zukommen zu lassen.“ Die Anwendung von Sanktionen indessen sei heruntergespielt worden. Damals war ihm noch nicht ganz klar, gesteht er, dass die Existenzgrundlage von Arbeitslosen im Ernstfall komplett gestrichen werden kann. Nachdem sich das rasch geändert hatte, initiierte der damalige Fallmanager mit zwei Kollegen eine Unterschriftenaktion, in einem ersten Versuch, auf Missstände aufmerksam zu machen. Ohne Erfolg. In dieser Zeit schrieb Tomm-Bub auch seinen Jobcenter-Krimi „Geringe Mitnahme-Effekte“, der bereits mehrfach im Radio gesendet wurde und „natürlich rein fiktiv“ sei, so der Autor augenzwinkernd. 

Dann befiel ihn der Krebs, was ihn 16 Monate „aus dem Rennen“ warf. Als er wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, war alles verändert. Die Führungsebene war ausgetauscht und das Arbeitsklima hatte eine härtere Gangart angenommen. Aus versprochenen 75 Kunden für einen Fallmanager wurden über 400, wodurch für eine adäquate Beratung keine Zeit mehr blieb. Insbesondere die Überwachung des Schriftverkehrs war verschärft worden. Burkhard Tomm-Bub erinnert sich, wie ein Kunde, der ein Anschreiben mit Sanktionsandrohungen erhalten hatte, welches ohne sein Wissen verschickt wurde, ihn fragte: „Warum hassen Sie mich?“. Als Antwort zerriss der Fallmanager das Dokument vor seinen Augen. Die unausgesprochene Annahme der heutigen Jobcenter sei, dass alle Antragsteller nur auf ihren Vorteil bedacht seien, und dass Strafe helfe – was gegen pädagogische Erkenntnisse der letzten 150 Jahre spräche, erklärt der Sozialarbeiter. Diese besagten vielmehr: „Strafe, wenn überhaupt, hilft nur kurzfristig. Belohnungen hingegen oft“. Man sollte sich gegenüber den Hilfesuchenden „immer in der Mitte von professioneller Distanz und Empathie halten“ ist Tomm-Bubs Meinung, welcher große Sorge hat, dass heutige Fallmanager dazu nicht mehr in der Lage seien. 

Eine Pressemitteilung der Arbeitsagentur, die sich diffamierend gegen seine Hamburger Kollegin Inge Hannemann aussprach, nachdem diese 2013 mit einer Petition für die Rücknahme der Hartz IV-Sanktionen vor den Bundestag getreten war, und damit als Whistleblowerin Schlagzeilen machte, gab ihm schließlich den Anstoß, ebenfalls einen Hartz IV-kritischen Blog zu starten – und ihm damit auch ein ähnliches Schicksal beschied. 

Seine Krankheitsgeschichte war Vorwand, ihn - entgegen der ärztlichen Einschätzung - zunächst in eine Abteilung zu versetzen, die den engagierten Mitarbeiter schlicht unterforderte. „Der große Knall kam dann 2014“ erzählt Tomm-Bub. Seither ist er bei vollem Lohnbezug von der Arbeit freigestellt, da rechtlich kein Kündigungsgrund vorliegt. „Die Steuerzahler finanzieren einen Aktivisten“ bringt er diesen Zustand auf den Punkt. Für eine gerichtliche Auseinandersetzung fehlt ihm jedoch die Kraft. Die investiert er lieber in sein ehrenamtliches Engagement bei der Drogen- und Asylhilfe und seine Leidenschaft für Humanität und Gerechtigkeit, welche durch seine Erlebnisse noch gestärkt wurde. 2015 veröffentlichte er sein „Handbuch Widerstand gegen Hartz IV“. Den Erlös aus dem Verkauf spendet er Erwerbsloseninitiativen. 

Ob er denn nach 12 Jahren Hartz IV überhaupt noch Hoffnung habe, dass sich etwas ändere? Seine Antwort ist ein Zitat nach Camus: 
„Der Verlust der Hoffnung ist ein Zuwachs an Freiheit. Und: Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. Damit ist schon ziemlich viel gesagt.“ 

(Regina Rosemann) 




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