Freitag, 31. Oktober 2014

Neonazis und Rechtspopulisten in Parlamenten #Antifa #Ludwigshafen

¡No pasarán!




 "Neonazis und Rechtspopulisten in Parlamenten" 

- Luis Caballero und Stefan Diehl im 2. Forum – Rassismus - 

 "Neonazis und Rechtspopulisten in Parlamenten" - so der eventuell etwas sperrige Titel der vorgestellten aktuellen Studie am 30.Oktober 2014 im Vortragssaal der Volkshochschule Ludwigshafen am Rhein.

Die beiden Soziologen waren persönlich anwesend und stellten ihre Studie nachvollziehbar und als gut eingespieltes Team in den wesentlichen Punkten vor.

Die kompetente Moderation hatte Markus Pflüger vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus RLP inne.

Im Anschluss gab es Gelegenheit zu Diskussion und Austausch, die komplette Studie wurde kostenlos in größerer Stückzahl bereit gehalten.

Der vollständige Titel lautet hier:

"Luis Caballero und Stefan Diehl
Die NPD in rheinland-pfälzischen
Kommunalparlamenten
Aus- und Wechselwirkungen 2009-2013:
Analyse und Empfehlungen"

Ich werde im Anhang einiges zitieren, der Link zur kompletten Broschüre (pdf) wäre aber hier:

http://www.politische-bildung-rlp.de/fileadmin/images/Bach/Untersuchung_NPD_2014.pdf

Das Vorurteil Soziologen seien weltfremd und beschäftigten sich vornehmlich mit irrelevanten Spezialthemen wurde hier eindrucksvoll Lügen gestraft.
Rechtslastige Menschen mögen einwenden, Wissenschaftler_innen seien doch der Neutralität verpflichtet ...
Dazu bleibt zu sagen, dass eine Untersuchung und Analyse durchaus und absolut sauber und korrekt durchgeführt und ausformuliert sein kann - und dennoch von der Formulierung der Ausgangsfragen her, nach Außen hin parteiisch ERSCHEINEN  kann. Der Versuch hier "unwissenschaftliches Vorgehen" herbei zu phantasieren ist zum Scheitern verurteilt!

Die professionell organisierte Veranstaltung war erfreulicher Weise gut besucht und das Publikum angenehm gemischt. Angefangen von hohen Würdenträgern wie unserem Bürgermeister Herrn van Vliet, über Ortsvorsteher, Quartiermanager, et cetera, und Polizist_innen in Uniform, bis hin zu einfachen Bürger_innen wie mir, war alles vertreten.



Besonders interessant und praxisbezogen fand ich den Teil der Studie, in dem differenzierte Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, usw. formuliert werden.
Dies hat dann für mich auch übergreifende Bedeutung und lässt den regionalen Charakter dieser Sache deutlich hinter sich.

Sie können statt dessen durchaus als bundesweites Modell dienen, wie ich meine!  

Professionell fand ich auch den Methodenmix, der bei der Studie und Analyse angewandt wurde. Hier fanden sich sowohl qualitative, als auch quantitative Elemente, in Teilen auch hermeneutische Ansätze.
Nur ein solches Vorgehen ermöglicht meā sententiā ein adäquates Abbilden der Wirklichkeit.



Persönliches

Natürlich hatte ich auch eigene Anliegen zur Veranstaltung "mitgebracht".


a) Social media, facebook, Google plus, twitter, youtube, Blogs und Co.

Wie möglicher Weise bekannt, dokumentiere ich selbst unter Klarnamen immer wieder Aktionen gegen Neonazi- Kundgebungen und Demonstrationen.

Beispiele siehe hier:

https://www.youtube.com/watch?v=yPtSOztQk-c

https://www.youtube.com/watch?v=R02JM-M9tHo

https://www.youtube.com/watch?v=WasLqh5cmOY

https://www.youtube.com/watch?v=Atw5D39M4OQ

https://www.youtube.com/watch?v=02AHmZdWRF4

Diese bewerbe ich dann über die weiter oben genannten Netze und Dienste.

Die Autoren bestätigten, dass die Aktivitäten und Kooperationen Rechter Kreise im Netz deutlich vorhanden sind und zunehmen.
Ich betreibe meine Aktivitäten quasi privat - und frage mich täglich, ob ich nicht gelegentlich mal "Hausbesuche" von Rechten bekomme ...

Daher thematisierte ich diesen Fragenkomplex. Erfreulicher Weise war den anwesenden Fachleuten von direkten Gewalttaten nichts bekannt. Ein Wagen eines antifaschistischen Menschen sei einmal heimlich mit einem Sender "verwanzt" worden, mehr habe man nicht gehört.
Ich werde mich also weiterhin nicht abschrecken lassen und kann auch Andere nur ermutigen zu agieren, zu dokumentieren, mitzutun.
Es erging noch der Rat NACH Veranstaltungen auf dem Heimweg Vorsicht walten zu lassen, d.h. Plakate, Anstecker, u.ä. da dann eher zu verbergen. Da sei es durchaus schon zu Übergriffen gekommen.

Mehr Inet - Engagement auch Öffentlicher Stellen würden auch die Fachleute begrüßen, so habe ich es verstanden. Im anwesenden Publikum schien mir, mit allem Verlaub, der Kenntnisstand  hinsichtlich der Sozialen Netzwerke "und drumrum" ... nun ... nicht zwingend überdurchschnittlich hoch.
Hier wünsche ich mir Optimierungen.




b) Wird nicht zu stark auf die NPD fokussiert? 

Auch hier stieß ich auf offene Türen.

Dieser Aspekt wurde absolut gesehen und eingestanden.
Die Studie (die ja in der Tat auch Arbeit, Mühe und Geld kostet), habe sich naturgemäß beschränken müssen.
Es sei aber wichtig und richtig, den Fokus - Aspekt zu sehen und zu benennen.
Vieles aus der Studie sei auf "namentlich variierte" Organisationen, Gruppen und Parteien auch durchaus übertragbar!
Ich selbst hatte konkret Teile der AfD und die Unterwanderung / Okkupation der "Montags - Mahnwachen" durch Gestalten wie Jürgen Elsässer, Ken Jebsen, Andreas Popp, Lars Märholz, etc. genannt.
Interessant: von hoch kompetenter Seite wurde aus dem Publikum ergänzt, die AfD in Ludwigshafen sähe sich hier selbst als eine "sozial-liberale Partei" ...
Die Worte höre ich wohl ...

c) Ausblendung makrosoziologischer Aspekte

Wie mutmaßlich bekannt, bin ich seit Jahren in der Hartz IV - kritischen Bewegung fest verankert.

So habe ich zumindest auch hier noch kurz angeschnitten, dass es spätestens seit dem Jahre 2005 einscheidende Veränderungen in Deutschland gegeben hat, die zu objektiven materiellen Verschlechterungen bei Millionen Menschen geführt haben - und zu einem "Bedrohungs-Szenario" für weitere Millionen.
In der alten "Sozialhilfe" bis Ende 2004 gab es KEINE Kürzungen / Sanktionen um 60% und um 100%. Man war sich hier noch halbwegs bewusst, dass "danach nichts mehr kommt".
25%, ggf. 30% waren hier das Maximum. Und: diese konnten bei "Nachholung der Mitwirkung" zurück genommen werden. Dies ist laut gültigem SGB II nicht mehr möglich - die Dauer beträgt stets 3 Monate, auch wenn der Fehler am Tag nach der Verkündung "repariert" wurde.
Zwei wichtige Faktoren, die (scheinbar) Nichtbetroffenen evtl. in ihrer negativen, massiven Wucht gar nicht wirklich klar werden können ...!

Der Themenbezug? Nun. Ich denke, Armut und ein Gefühl der massiven, diffusen Bedrohung erzeugt stets eine Polarisierung, eine Radikalisierung, generiert soziologisch gesehen, dass Suchen nach einer handhabbaren "out-group".
Die NPD und ähnliche Gruppierungen bieten sich hier dann gern zur Hilfestellung an.
Das Schüren von Asylantenhass, u.ä. gehört da schließlich zum Kerngeschäft.



Soweit mein Bericht.
Eine wichtige und gelungene Veranstaltung!

Burkhard Tomm-Bub, M.A.
67063 Ludwigshafen

P.S.: Dieser Artikel ist gänzlich copyrightfrei und darf gern verlinkt, zitiert und übernommen werden!


Hier nun einige Auszüge aus der Untersuchung, mit mündlicher Genehmigung der Verfasser am 30.01.2014.
Die Wiedergabe erfolgt unkommerziell und dient nicht der Wahlwerbung oder Werbung in irgendeiner Form.

Verantwortlich:
Burkhard Tomm-Bub, M.A.
67063 Ludwigshafen



AUSZÜGE:

*********

Im Folgenden werden zunächst allgemeine Empfehlungen vorgestellt, denen sich konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis anschließen.
Bevor hier Überlegungen angestellt werden, welche Strategien hinsichtlich einer NPD-Präsenz für demokratische Kommunalpolitiker_innen in Frage kommen, muss die Notwendigkeit hierfür erörtert werden.
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die NPD und das durch sie vertretene Gedankengut eine Gefahr für die demokratische Verfasstheit der Gesellschaft darstellen. 86 Dabei besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Gefahr nicht in einer möglichen Regierungsbeteiligung oder gar - mehrheit, also in der Möglichkeit, die Parteiziele auch unmittelbar durchsetzen zu können. Vielmehr droht eine Etablierung in der Öffentlichkeit als gewöhnlicher politischer Akteur einschließlich der entsprechenden Inhalte. Zu befürchten ist mithin eine allmähliche Akzeptanz der NPD als
legitimierter Teil der Parteienlandschaft – immerhin ist sie in die entsprechenden Gremien demokratisch gewählt worden.
In der Literatur wird zu recht darauf hingewiesen, dass kommunalpolitische Aktivitäten der NPD nicht zwangsläufig einen Erfolg für die Partei bedeuten müssen. Schließlich besteht ein Legitimitätsproblem gegenüber den eigenen Anhängern. Die NPD arbeitet ja in legalistischen, parlamentarischen Strukturen, die von ihr selbst und vor allem von der eigenen Anhängerschaft grundsätzlich abgelehnt werden. 87 „Darüber hinaus hängt der Erfolg dieser Strategie ganz wesentlich davon ab, dass die in die Kommunalpolitik involvierten Parteimitglieder ihr rein instrumentelles Verhältnis zu den Kommunalparlamenten auch beibehalten und sich aus Sicht der Partei nicht ‚korrumpieren‘,
also in das politische System integrieren lassen.“ 88 Inwieweit
die kommunale Arbeit der NPD der Partei als solcher eher nützt oder schadet, ist nur im konkreten Falle empirisch zu ermitteln.

Jedoch ist es aus demokratischer Perspektive gar nicht entscheidend, dass die Präsenz in Kommunalparlamenten der NPD als Partei möglicherweise nützt. Wichtiger ist die Funktion des Parlamentes als Bühne für Inhalte der NPD. Gegebenenfalls kommt es zu keiner Etablierung als politischer Akteur. Es ist aber mit einer Etablierung von Äußerungen, Positionen und Zielen der Partei zu rechnen bis hin zu einer Anerkennung als eine demokratische Haltung unter vielen. 89 Unter Umständen sind es dann andere
extrem rechte Parteien, die von der NPD-Präsenz profitieren.
Die Inhalte der NPD widersprechen den fundamentalen Rechtsprinzipien einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Sie stellen die Gleichheit der Menschen in Frage und lehnen partizipatorische Strukturen ab. Sie greifen die Rechte von Minderheiten an und verstärken Ressentiments und Vorurteile bis zur Relativierung von Bürgerrechten. Jede demokratische Organisation stellt für die NPD einen Feind dar (siehe Kapitel 1.2).

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Demgegenüber muss es einen Konsens aller Demokrat_innen geben, der die Ablehnung extrem rechter Parteien und ihrer Inhalte öffentlichkeitswirksam signalisiert. Dabei ist es gar nicht nötig, politische Differenzen zwischen den demokratischen Parteien einzuebnen. Hier geht es nur um die konsequente Zurückweisung neonazistischen Gedankenguts und das Eintreten für humanistische Grundpositionen. Für Rheinland-Pfalz sollte eine Zusammenarbeit in diesem Feld das gesamte Spektrum von der CDU bis zur Partei der Linken umfassen.
Ein Befragter in Trier formulierte die Forderung:
Also im Prinzip braucht es eine supergroße Koalition gegen rechts. (Trier) 

Das bedeutet für alle möglichen Beteiligten durchaus große Anstrengungen: das Überwinden des Lagerdenkens und die Fähigkeit zum Kompromiss.
Der einstimmige Beschluss des Stadtrates Trier, Babic auszuschließen, macht indessen deutlich, dass es möglich ist. Die wichtigste Handlungsempfehlung, die alle anderen mit einschließt, ist also die, dass Demokrat_innen gegen die extreme Rechte kooperieren müssen.

In der politikwissenschaftlichen Forschung besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, sich mit den Akteuren und den Inhalten der extremen Rechten aktiv auseinanderzusetzen und nicht darauf zu warten oder zu hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt. 91 Ein abgestimmtes Handeln demokratischer Organisationen steht allerdings vor der Herausforderung, der medialen Öffentlichkeit die Notwendigkeit dafür zu vermitteln. Erschwert wird dies durch eine Veränderung der Medienlandschaft, in der ein „Rückgang der politischen Berichterstattung zugunsten einer zunehmenden
Orientierung an Personen, Emotionen, Unterhaltung“ zu konstatieren ist. 92 Es wird schwierig sein, zu erläutern, warum sich viele gegen eine Partei zusammenschließen. Es ist schwierig, eine Aufmerksamkeit für komplexere Grundüberlegungen wie das Eintreten für humanistische Werte zu erreichen. Daher sollten Vorgehensweisen wie Absprachen immer präzise formuliert und offensiv der (medialen) Öffentlichkeit begründet werden, nicht zuletzt um den Vorwurf einer intransparenten Mauschelei zu entkräften.
Bei der Wahl von Strategien gegen die NPD ist eine klare Zielbestimmung sinnvoll. 

Drei mögliche Ziele 93 bieten sich an:

• die NPD-Wähler zumindest davon zu überzeugen, dass die Partei nicht deren Interessen vertritt (ein Verweis auf mangelnde Mitarbeit und Kompetenz ihrer Abgeordneten im kommunalen Gremium bezüglich konkreter politischer Fragestellungen kann hilfreich sein);
• zu verhindern, dass die NPD „das Parlament als Aktionszentrum ihrer außerparlamentarischen Aktivitäten nutzen“ kann; 94
• mit parlamentarischen Mitteln zu verhindern, dass eine sukzessive
Normalisierung und Akzeptanz des Rechtsextremismus erfolgt.
 

Der Versuch, die NPD-Kader von demokratischen Positionen zu überzeugen, wird scheitern, da es sich bei diesen Mandatsträgern um Personen mit gefestigten Überzeugungen handelt. Darüber hinaus sollte nicht der Eindruck entstehen, die Inhalte der NPD seien einer Diskussion würdig.

3.1.1 Allgemeine Strategien im politischen Alltag

 
Die in der politikwissenschaftlichen Forschung diskutierten Strategievarianten lassen sich zu drei grundsätzlichen Möglichkeiten zusammenfassen, wobei sich Teile der Strategien überlappen können. 95

 
1) Ignorieren
Ignorieren bedeutet die Verweigerung, auf Redebeiträge (die Begründung von Anträgen einschließend) der NPD einzugehen. Zu dieser Strategie zählt ebenfalls das geschlossene Verlassen des Parlamentssaales durch alle anderen Fraktionen bei Wortäußerungen von extremen Rechten. Man muss bewusstes, abgesprochenes Ignorieren von Nichtstun oder passivem Erdulden unterscheiden.


2) Ausgrenzung
Mit Ausgrenzung soll verdeutlicht werden, dass die NPD nicht gesellschaftsfähig ist und nicht als gleichberechtigter Partner des politischen Diskurses akzeptiert wird. So werden Anträge der NPD – unabhängig vom Thema und von der Sinnhaftigkeit – grundsätzlich abgelehnt. Weiterhin werden keine Anträge gemeinsam mit der NPD gestellt. Zur Ausgrenzung gehört auch die Modifikation parlamentarischer Geschäftsordnungen beispielsweise in Bezug auf die Redezeitregelungen.


3) Entlarvung
Die Strategie der Entlarvung zielt auf die Aufklärung der Bevölkerung über Ziele und Inhalte der NPD ab. Zum einen soll die Demokratiefeindlichkeit der NPD herausgestellt werden. Zum anderen soll die mangelnde Sachkompetenz beziehungsweise der mangelnde Willen zum Erwerb derselben aufgezeigt werden. Man will verdeutlichen, dass die NPD nicht in der Lage und nicht willens ist, an einer sachorientierten Lösung für kommunalpolitische Probleme der Bürger zu arbeiten.

In dieser Studie wird vorgeschlagen, die Wahl einer geeigneten Strategie fall- und situationsabhängig zu gestalten. Ist der Aktivitätsgrad des extrem rechten Mandatsträgers gering, kann die Reaktion der demokratischen Kommunalparlamentarier_innen geringschwellig ausfallen. Wenn es keine Äußerungen seitens des extrem Rechten gibt, besteht auch kein Anlass, sich selbst zu äußern. Handelt es sich um einen sehr aktiven NPD-Mandatsträger, muss die Reaktion der Demokrat_innen offensiver sein.
In der konkreten kommunalparlamentarischen Praxis kann die parallele Nutzung aller drei Strategiemöglichkeiten, also ein Strategiemix gewinnbringend sein. Die Wahl des Ignorierens als Strategie beinhaltet sicherlich die meisten Probleme, da sehr schnell daraus Nichtstun oder Verschweigen werden kann, von einer passiven Herangehensweise aber unbedingt abzuraten ist. Extrem rechte Organisationen und Inhalte werden sich nicht von selbst erledigen. Außerdem wirken die demokratischen Akteure auf diese Weise schwach und wehrlos, was wiederum die extreme Rechte stärkt, da sie zu recht auf die mangelnde Handlungsfähigkeit der anderen Parteien verweisen kann. 96
Eine Diskussion mit der NPD hat keine Erfolgsaussichten, da die NPD immer davon profi tiert, ihre Parolen öffentlich verbreiten zu können. Dergestalt wird die Partei zu einem gleichberechtigten Partner im demokratischen Diskurs aufgewertet. Demokratische Parlamentarier_innen sollten es vermeiden, sich die Themen diktieren zu lassen.
Man wird nicht alle möglichen Szenarien im Voraus einschätzen können.
Dennoch sollte schon während des Wahlkampfes das Auftreten der NPD- Kandidaten genau beobachtet werden, um Hinweise auf deren weiteres Gebaren als mögliche Parlamentsmitglieder zu ermitteln. So können die übrigen Akteure vorab eigene Verhaltens- und Handlungsstrategien entwickeln.
Für eine bessere Vorbereitung ist auch die eigene Beschäftigung mit den Aktivitäten der extremen Rechten notwendig. Hierzu gibt es eine Vielzahl an Informationsmöglichkeiten (eine kleine Auswahl findet sich in Kapitel 3.2). Wer tritt im eigenen Wahlkreis als Kandidat zur Wahl an? Welchen Organisationen gehört der Kandidat an? Welchen politischen Hintergrund hat der Kandidat darüber hinaus? Was sind Ziele und politische Praktiken der zur Wahl antretenden extrem rechten Partei? Die Antworten auf diese Fragen erleichtern nicht nur den zukünftigen Umgang im Parlament selbst, sie bieten darüber hinaus das Material für eine inhaltliche Auseinandersetzung in der und für die Öffentlichkeit. 97 Vor allem bei formalen Verfahrensfragen der parlamentarischen Arbeit sollte man sich auf gut geschulte Akteure der extremen Rechten vorbereiten. Der versierte Umgang mit Verfahrensfragen kann die Arbeit eines politischen Gremiums erschweren oder Entscheidungen deutlich verzögern.
Ferner sollte man alle Beratungsmöglichkeiten zu dem Thema nutzen und möglichst viele Informationen einholen. Sehr nützlich kann der Austausch mit Parteifreund_innen aus anderen Regionen sein, die bereits Erfahrungen mit der Präsenz von NPD-Vertretern gesammelt haben.
Also, mir hat sehr die Beratung von Externen […] geholfen, einfach auch eine eigene Selbstsicherheit dahingehend zu bekommen. Das heißt, Foren für Erfahrungsaustausche wären mir durchaus sehr, sehr wichtig. Eine Regelmäßigkeit wäre mir auch wichtig, dass man das nicht nur einmal macht, sondern dass man wirklich regelmäßig in verschiedenen Konstellationen sich trifft und vielleicht sogar bundesweite Beratungsangebote da noch einmal stärkt, um dort Handlungsalternativen auch irgendwie an den Mann und die Frau zu bringen. (Trier)
Es ist kaum möglich, indes auch gar nicht notwendig, dass sich die gesamte Fraktion einer demokratischen Partei allumfassend vorbereitet. Es genügt, wenn ein bis zwei Mitglieder sich schwerpunktmäßig mit der extremen Rechten auseinandersetzen und die eigene Fraktion regelmäßig über ihre Erkenntnisse informieren. Diese Spezialist_innen können zum Beispiel an überregionalen Seminaren und Informationsveranstaltungen teilnehmen, von den Ergebnissen berichten und so einen kontinuierlichen Beitrag für die politische Auseinandersetzung leisten. Zudem können sie für den Fall einer Entgegnung auf Äußerungen von NPD-Vertretern entsprechende Argumente bereitstellen.
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Also, ich denke, das, was es für Berlin gibt, wäre gut für Rheinland-Pfalz, dass es wirklich auf die hiesigen Gegebenheiten zugeschnitten ist, das entspricht, glaube ich, genau dem Ziel des Projektes. Ich glaube, Ansprechpartner, mit denen man direkt reden kann, wären was wert. Ich stelle mir einen Expertenpool vor, wo auch andere Parlamentarier drin sind. […] ein bundesweites Netzwerk Kommunalpolitiker gegen rechts und dann sind die auch bereit, mal […] zu kommen. Man kann die auch telefonisch anrufen, „hier wir haben folgenden Antrag, was würdet ihr da machen?“, und da können die sagen, „ach das passt ganz zu dem, was wir vor zwei Jahren hatten, erst wussten wir auch nicht und dann fiel uns das und das ein“, formale Tricks, Verzögerungssachen, keine Ahnung, wie lässt man so etwas in Leere laufen, wie reagiert man gut darauf, so eine Mischung aus ganz sachlich, aber auch ganz engagiert, vielleicht auch emotional, vielleicht auch mal mit Humor und Ironie. So eine ganze Palette, dass die zur Verfügung steht, wie so ein modularer Werkzeugkoffer gegen die NPD in Stadträten. (Trier)
Eine letzte allgemeine Empfehlung zielt auf Präzision und Transparenz des politischen Handelns ab. Die eigene Vorgehensweise gegen extreme Rechte ist immer zu begründen, gerade der medialen Öffentlichkeit gegenüber.
Eine durchgehende Argumentation kann beispielsweise in dem
Hinweis auf die besonders aggressive Demokratiefeindlichkeit der NPD und die daraus resultierende Notwendigkeit eines Zusammenschlusses aller demokratischen Kräfte bestehen. Konzertierte Aktionen gegen das Auftreten von NPD-Vertretern sollten nicht geheim gehalten werden und nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Es ist kein Vorteil in dieser Geheimhaltungsstrategie zu erkennen, dafür aber der gewaltige Nachteil eines möglichen Vorwurfes der Manipulation und ungerechtfertigten Benachteiligung eines Wahlkonkurrenten. Man muss nicht alle Details enthüllen, aber das grundlegende Ergebnis sollte für alle erkennbar sein.
Zusätzlich sollten konzertierte Vorgehensweisen, die sich dezidiert gegen die NPD richten, auch als solche benannt werden. Wenn zum Beispiel Redezeiten aus diesem Grunde geändert werden, dann sollte dies öffentlich auch so dargelegt werden. Ausweichende Ausreden oder gar erfundene Gründe werden im Zweifelsfalle schnell aufgedeckt und schaden dem Ansehen des Gremiums. Jedes kommunalpolitische Handeln und erst recht die Kooperation von Parteien zuungunsten einer anderen sollen transparent sein. 99
Nicht jede interfraktionelle Absprache muss schriftlich fixiert werden. Ein schriftlicher Beschluss mit einer entsprechenden Erklärung erleichtert allerdings die Dokumentation nach innen und außen hin. Für Bürger, die nicht dem Parlament angehören, werden dergestalt die konkreten Vorgehensweisen nachvollziehbarer.
Bei der Wahl einer adäquaten Strategie sollten Parlamentarier_innen anpassungsfähig und kreativ sein und die eigenen Maßnahmen selbstkritisch hinterfragen. Gerade hier sollte der Austausch mit zivilgesellschaftlich engagierten Bürger_innen gesucht werden. Oft verfügen die antifaschistischen Bündnisse in den Gemeinden über sehr gute Kenntnisse der extrem rechten Szene und können einen konstruktiven Beitrag zur Entwicklung eigener parlamentarischer Ideen leisten.


3.1.2 Strategien im Parlament

Zur Entwicklung einer wirksamen Strategie ist es vorteilhaft, wenn sich alle demokratischen Akteure frühzeitig, am besten schon vor dem Wahlkampf, mit den extrem rechten Kandidaten und deren politischen Inhalten beschäftigen und sich gezielt vorbereiten. Hierzu können ein bis zwei (zukünftige) Mitglieder pro Fraktion gewählt werden, die als Spezialist_innen für die extrem rechte Szene und für Gegenstrategien fungieren (siehe oben). 100
Es ist ratsam, noch vor der inaugurierenden Parlamentssitzung das Gespräch mit allen anderen demokratischen Fraktionen zu suchen. In diesen Gesprächen sollten gemeinsame Ziele bestimmt und eine Kooperation für die Legislaturperiode erreicht werden. Am günstigsten wäre ein einmütiger Antrag oder eine gemeinsam getragene Entschließung aller demokratischen Mitglieder des Parlaments (nicht nur derjenigen der großen Fraktionen). Dazu gehört unbedingt auch eine Argumentation, warum ein solcher Beschluss notwendig ist. 101

Wenn Absprachen getroffen werden, ist es meist hilfreich, diese schriftlich festzuhalten und offensiv nach außen zu tragen.
Die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung von extrem Rechten und deren Nutzung des Parlamentes als Bühne für einen Ideologietransfer müssen begrenzt werden. Das bedeutet, dass die Sitzungsleitung die Möglichkeiten der Ahndung konsequent nutzen sollte. Wenn rassistische oder antisemitische Aussagen seitens der NPD-Mandatsträger geäußert werden, müssen unverzüglich Sanktionen erfolgen. Wenn Änderungen der parlamentarischen Geschäftsordnung aufgrund der Präsenz von extrem Rechten erfolgen, sollten sie restriktiv, zugleich aber behutsam und nur als Ultima Ratio angewandt werden. Insbesondere der Öffentlichkeit sollte präzise vermittelt werden, aus welchen Gründen welche Änderungen eingeführt wurden. Wenn die Präsenz von extrem Rechten der Grund für Änderungen in den politischen Verfahrensweisen ist, muss dies auch so mitgeteilt werden. Dagegen ist es nicht sinnvoll, Modifi kationen zu Lasten kleiner demokratischer Listen vorzunehmen. Es ist ein nicht aufzulösender Widerspruch, die Demokratie verteidigen zu wollen, indem man sie (für andere) einschränkt. 102
Ohne Ausnahme sind alle Anträge und Vorlagen der NPD einhellig von allen anderen Parlamentsmitgliedern abzulehnen. Unter Umständen können sinnvolle Anträge der NPD nach allgemeiner Ablehnung selbst unter eigenem Namen wieder zur Abstimmung eingebracht werden (zu beachten ist gegebenenfalls eine mögliche Sperrfrist für eine Wiedervorlage). 103
Wenn Untergremien, wie beispielsweise Ausschüsse, zu besetzen sind, wirkt eine Funktionsvergabe an NPD-Vertreter öffentlich zu deren Gunsten und sollte deshalb verhindert werden. Eigene Parteiinteressen sollten gegebenenfalls zurückgestellt werden, denn im Zweifelsfall ist ein Mitglied einer anderen Fraktion immer die bessere Wahl als der NPD-Vertreter. 104 Rededuelle oder Diskussionen mit NPD-Vertretern haben keine Erfolgsaussichten, weil es ihnen nicht um argumentative Überzeugung geht.

Vielmehr böte man damit den extrem Rechten eine Plattform und ließe sich von ihnen die Themen diktieren. Im Allgemeinen sollten Äußerungen von extrem Rechten ignoriert werden. Allerdings kann es bei manchen Themen sinnvoll sein, eine Aussage nicht unwidersprochen zu lassen. Widerspruch sollte lediglich bei ausgewählten Themen durch ein Mitglied des Parlamentes (am besten für das ganze Parlament stellvertretend) nur einmal geübt werden. Danach sollte der NPD-Vertreter ignoriert werden.
Obwohl es schwierig werden kann, sollten Mandatsträger sich nicht provozieren lassen und lieber den Sitzungssaal verlassen, als sich auf eine Diskussion einzulassen. 105
Bei der Formulierung des Widerspruchs (insofern dies zeitlich möglich ist) sollte die Person herangezogen werden, die sich auf den Umgang mit der extremen Rechten spezialisiert hat. Der Widerspruch soll der Entlarvungsstrategie dienen, er muss mithin ausführen, was genau die Inhalte der extrem Rechten bedeuten.
Bei bestimmten Grundsatzreden oder Gedenktagen wie dem 27. Januar (Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus) oder dem 8. Mai (Befreiung Europas von Krieg und Faschismus) sollten, falls nicht zu verhindern ist, dass der NPD-Vertreter spricht, während seiner Rede alle Parlamentsmitglieder geschlossen den Saal verlassen.
Grundsätzlich sollten sich zukünftige Ratsmitglieder auf ein typisches strategisches Element von NPD-Mandatsträgern einstellen 106, nämlich die Anwesenheit von NPD- Gesinnungsfreunden im Publikum während öffentlicher Sitzungen, zumindest zu Beginn der Legislaturperiode.
Die juristischen Möglichkeiten gegen extrem Rechte sollten im Parlament umfassend ausgeschöpft werden. Es ist empfehlenswert, für jedes Parlament zu prüfen, inwieweit das Hausrecht es erlaubt, Mitglieder und erkennbare Anhängern extrem rechter Organisationen und Gruppierungen den Zutritt zur Zuschauertribüne bzw. zum Sitzungssaal zu verweigern.

3.1.3 Strategien in der Verwaltung

Selbstverständlich müssen im Verwaltungshandeln bestehende Rechtsgrundsätze streng eingehalten werden. Allerdings kann und sollte man vorhandene Handlungsspielräume vollständig nutzen. 108 Jede Auflage für Veranstaltungen von extrem Rechten behindert diese und erschwert ihre Selbstinszenierung. Oft genug bieten die extrem Rechten bei ihren Demonstrationen selbst genügend Anlässe, diese zu verbieten, beispielsweise weil verfassungsfeindliche Symbole präsentiert oder Waffen mitgebracht werden. Hierzu muss der politische Willen aller Demokrat_innen vorhanden sein.
Alle Beteiligten, also die Parlamentsmitglieder, Teilnehmer_innen von zivilgesellschaftlichen Bündnissen sowie Verwaltungsexpert_innen sollten sich vor Aufmärschen frühzeitig zusammensetzen und miteinander abstimmen.
Man kann dann ausloten, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus lässt sich eine Nutzung kommunaler Versammlungsräume für extrem Rechte verhindern. 109 Man kann die Nutzungsverträge für solche Räume mit Klauseln versehen, die extrem Rechten die Mietnutzung verweigern. An Bogitzky/Buchstein/Heil angelehnt folgt hier ein Formulierungsvorschlag, der als Vorlage für eine solche Klausel dienen kann: 110 Die Vermietung erfolgt nur zum Zwecke/aus Anlass der im Folgenden genau bezeichneten Veranstaltung(en):
[…]
Der Mieter ist nicht berechtigt, die Mieträume zur Durchführung von Veranstaltungen zu nutzen, bei denen eine rechtsextremistische Haltung dargestellt oder verbreitet wird.
Während Wahlkämpfen können weiterhin durch das jeweilige Parlament spezifische Erlasse für die Wahlwerbung beschlossen werden, die dann gleichwohl für alle Parteien und Kandidaten gelten müssen. Man kann die Anzahl der Orte festlegen, an denen Wahlwerbung (Plakate und Info- stände) zulässig ist. So lässt sich eine flächendeckende Plakatierung in der Gemeinde verhindern. 111 Des Weiteren kann versucht werden, Anhänger der extrem Rechten mit juristischen Mitteln aus Ämtern fernzuhalten, falls diese einschlägig vorbestraft sind. So konnte etwa der NPD-Vertreter in der Südwestpfalz aus dem Kreisrechtsausschuss entfernt und daran gehindert werden, als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Eines der in der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung festgelegten Kriterien dafür, dass jemand zum Bürgermeister/ zur Bürgermeisterin wählbar ist, besteht darin, dass die Person die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten (siehe Kapitel 2.4).
Im Moment haben sie nur die Möglichkeit, wenn so ein NPD-Mann
kommt, zu versuchen, ob sie ihm nachweisen können, dass er vorbestraft ist, zum Beispiel beim Herrn Wagner, oder dass er sich gegen die Verfassung richtet oder gegen Menschenrechte vorgeht. (SWP)
Für den Fall absehbarer Konflikte ist es ratsam, sich vorab juristischen oder verwaltungstechnischen Rat einzuholen, beispielsweise bei entsprechenden Beratungsnetzwerken oder auch bei der dienstaufsichtsführenden Behörde, um eine Inszenierung von NPD-Vertretern zu vermeiden.
An dieser Stelle soll betont werden, dass juristische Handhabungen keinen Ersatz für eine inhaltliche Auseinandersetzung darstellen. Sie sind als komplementäre Strategie in einem Gesamtzusammenhang zu begreifen, bei dem alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden sollten.


3.1.4 Strategien in den Medien
Die Presse sollte man bei der Auseinandersetzung gegen die extreme Rechte als Partnerin einer demokratischen Öffentlichkeit gewinnen und nicht von vornherein als außenstehend oder als Gegner betrachten. Hier sollte das Gespräch möglichst nicht von Einzelakteur_innen, sondern vom Parlament insgesamt (in Form von Stellvertreter_innen) gesucht werden. 112
Auch hier gilt es, jegliches Handeln und jede Maßnahme genau zu erläutern und ausführlich zu begründen. Hierbei sollten Parlamentarier_innen auch auf einen entsprechenden Raum (Seitenzahl, Interviewzeit) im jeweiligen Medium beharren, um die Argumente geeignet ausführen zu können. Bei den Argumenten ist es sinnvoll, sowohl auf die eigenen als auch auf die Erfahrungen anderer mit extremen Rechten einzugehen.
Ohne zu skandalisieren, kann man auf Provokationen, Störungen und Verzögerungstaktiken der NPD im Parlament verweisen.
Man kann die Presse durchaus auffordern, in ihrer freien Berichterstattung auf Spektakel zu verzichten, die ihnen NPD-Vertreter und andere Akteure der extremen Rechten im Zweifelsfalle gerne liefern, auch wenn diese eine höhere Aufmerksamkeit für das eigene Medium bewirken könnten.
Alle Beteiligten sollten genau abwägen, wann und in welcher Form eine Berichterstattung notwendig und sinnvoll ist, um zum Beispiel die Inhalte der extremen Rechten kritisch zu beleuchten. Insgesamt ist zu vermeiden, der NPD unnötig eine Plattform zu bieten.


3.1.5 Strategien in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft
 

Die demokratischen Akteure müssen in einen Dialog mit allen Wählern treten. Es wichtig, darzulegen, warum extrem rechte Parteien deren Interessen nicht vertreten. Dabei kann man die mangelnde Sachkompetenz und nicht an Sachproblemen orientierte typische Verweigerungshaltung der extremen Rechten aufzeigen. Man muss vermitteln, welche Themen und welche Lösungsvorschläge (nicht) von der NPD kommen.
Zur Information über die extreme Rechte können Parteien beziehungsweise Wahlbündnisse zum Beispiel selbst Informationsveranstaltungen mit Expert_innen zu diesem Thema anbieten. Auf diese Weise kann auch eine sehr unterschiedliche Klientel angesprochen werden. 113

Es sollte eine klare Positionierung von Politik und Verwaltung gegen die extreme Rechte demonstriert werden. Für alle Bürgerinnen und Bürger sollte der Zusammenschluss der Demokrat_innen sichtbar sein, und zwar nachhaltig und dauerhaft. Das Ziel sollte hierbei sein, der Wahlbevölkerung zu demonstrieren, dass die übrigen Fraktionen einmütig sind in der Ablehnung der NPD und dass neonazistische Ansichten durchweg nicht akzeptiert werden. Eine solche gemeinsame Kommunikation könnte als Vorbild für zivilgesellschaftliches Handeln gelten und die Überzeugungsarbeit für ein gemeinsames Engagement erleichtern.
Die Kommunalparlamentarier_innen sollten dort, wo es keine Bündnisse gegen Nazis gibt, deren Gründung zusammen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen initiieren und dort mitarbeiten, wo es sie gibt. Antifaschistische (Jugend-) Gruppen und zivilgesellschaftliche Projekte sollten gefördert und unterstützt werden. Das kann auch zu Konfliktsituationen führen, die eine demokratische Gesellschaft mit ihren konkurrierenden Ideen aber aushalten muss. 114
Bei einschlägigen Gedenktagen für die Opfer des Nationalsozialismus lassen sich neue – vor allem jugendgerechte – Formen des Gedenkens ausprobieren. Man kann als Gemeinde mit Jugendlichen und Schulen zusammenarbeiten, Schulpatenschaften für Gedenkstätten (finanziell) fördern und statt einem leeren, oft wenig überdachten Ritual ein lebendiges, aktualitätsbezogenes Gedenken üben.
Schließlich sollten alle demokratischen Organisationen zur Wahl aufrufen.
Mehr Wahlbeteiligung bedeutet keinesfalls zwangsläufig eine Schwächung der extremen Rechten. 115 In vielen Fällen verhindert oder minimiert sie jedoch zumindest den Einzug extremer Rechte in die Parlamente.
Einige der Interviewten (siehe Kapitel 2) geben als Gründe für den Erfolg der NPD die allgemeine Parteienverdrossenheit an und fordern unter anderem als Gegenmaßnahme mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz bei Ratsentscheidungen.

Und wenn ich mich einbringe, kann ich was erreichen, Bürgerbeteiligung muss gestärkt werden, das denke ich, ist wichtig. Da passiert in Trier einiges, aber es hat oft einen sehr informellen, nicht bindenden Charakter. (Trier) Für die Bekämpfung der extremen Rechten ist eine Auseinandersetzung mit den Ursachen ihres Erfolgs und ihren kulturellen Mustern wichtig. 117 Dies beinhaltet auch einen kritischen Blick auf die vorherrschenden Werte und Normalitätsvorstellungen einer Gesellschaft und auf ihre Gemeinsamkeiten mit Einstellungen der extremen Rechten. Hierzu sollten Parlamentarier_innen auch die eigene Politik selbstkritisch hinterfragen. Auch im Eifer des Wahlkampfgefechts sollte es einen allgemeinen Konsens geben, sich bei bestimmten Themen wie Migration zurückzuhalten und auf populistische Verkürzungen zu verzichten.
Das ist natürlich auch ein Problem, dass viele Politiker immer stärker auf populistische Ansätze gehen, die gerade der NPD zuspielen. Und das ist gerade auf kommunaler Ebene eigentlich unnötig und könnte man damit leicht verhindern. (Trier)
Die Wahlkampfreden über eine „Flut“ von Einwanderungswilligen sind hier an erster Stelle zu benennen. Am 1. Februar 2014 demonstrierte die NPD unter anderem vor der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier. 118 Ein kausaler Zusammenhang wird hier nicht behauptet. Jedoch macht eine bestimmte Wahlkampfrhetorik etablierter Parteien es der extremen Rechten leichter, daran anzuknüpfen und sich als Vollstrecker des
Volkswillens zu gerieren. Populistische Inhalte zu lancieren, um der extremen Rechten das Wasser abzugraben erreicht das Gegenteil: Es ist Wasser auf deren Mühlen.


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